31. Oktober 2012

Gräser und ihre Verwendung (1/3)

Gräser und ihre Verwendung (2/3) - Der RHS Garden Wisley
Gräser und ihre Verwendung (3/3) - The Beth Chatto Gardens

Schon sehr lange plane ich, einen Beitrag nur über Gräser zu schreiben. Dazu habe ich meine Gartenfotos durchsucht mit dem Ziel, möglichst aussagekräftige Bilder von Gräsern zu finden, die deren Habitus, ihre Blüten und ihre besten Kombinationspartner in rechtem Licht präsentieren. Aufgrund der großen Anzahl von Bildern habe ich mich nun entschlossen, mein Vorhaben in eine mehrteilige Serie zu splitten. Der erste Teil soll dazu dienen, einen Überblick über jene Gräser zu geben, mit denen ich im eigenen Garten schon Erfahrungen gemacht habe oder die ich als besonders empfehlenswert in Erinnerung habe (die Liste ist nicht alphabetisch, sondern intuitiv geordnet ;-)). Da die gezeigten Gräser nur einen winzigen Bruchteil des erhältlichen Gräsersortiments abdecken, möchte ich alle ermutigen, Gräser auszuprobieren und im eigenen Garten zu testen.


Gleich vorneweg: Es ist mir unklar, warum Gräser bei vielen Gartenbesitzerinnen einen so schlechten Ruf haben. Liegt es wirklich an den wenigen wuchernden Vertretern? Dann müssten auch Herbstanemonen, Monarden und etliche andere mit Vorsicht empfohlen werden, was aber nur selten passiert. Ich vermute, die Abneigung gegen Gräser hängt sehr stark damit zusammen, dass Gräser in unserem Leben eine zu alltägliche Rolle spielen: Sie werden gemäht, gejätet, verfüttert, lösen Allergien aus und sind in allen Lebensräumen irgendwie präsent; in weiten Teilen der Erde sind sie sogar, neben Bäumen, für das grüne Erscheinungsbild unserer Umwelt verantwortlich. Ohne Gräser gäbe es keine Milch, kein Getreide und auch so gut wie kein Fleisch - Gräser sind also wichtig für die Landwirtschaft (Bild oben: Deschampsia flexuosa).


Dass sie auch in unseren Gärten optisch eine tragende Rolle spielen, dafür treten seit Jahrzehnten viele Gärtnerinnen, Gartenarchitekten, Gartenbuchautoren und in den letzten Jahren auch Gartenzeitschriften ein. Trotzdem sind Gärten ohne Gräser noch weit verbreitet, wohingegen andere Pflanzen ganz selbstverständlich in den Kanon der Gartenpflanzen aufgenommen wurden (man denke an meine stachligen Freunde, aber auch an Geranium, Helleborus, ...) - Bilder oberhalb: Gräser im September und im November, gleiche Beetansicht, im rechten Bild etwas mehr Zoom.



Zu meinen Lieblingsgräsern gehört - ich habe es im Blog schon sehr oft gezeigt - Pennisetum alopecuroides 'Japonicum', das braune Lampenputzergras, das an den Enden seiner braunen Walzenblüten kleine weiße Puschel trägt, die wie ein kleines Stückchen Fell aussehen. Dieses Gras benötigt mit den Jahren einigen Platz, da es elegant nach außen überhängt. Die Pracht hält sich auch den Winter hindurch; die weißen Puschel fallen allerdings ab. Im Bild links unten Pennisetum alopecuroides var. viridescens in einer dunklen Auslese von Koen van Poucke.



Schon eher einer kleinen, aber feinen Plage entsprechend ist Melica ciliata, auch Wimperperlgras genannt. Dieses hübsche Gras blüht schon sehr bald im Jahr, nämlich bereits ab Mitte Juni. Zu Beginn sind seine Ähren grün-silbern, mit zunehmender Reife werden sie cremeweiß, ehe sie in zartem Hellbraun verblühen und ja, leider, ihre Samen im Umkreis verteilen. Die neuen Sämlinge sind fein behaart, was eine Unterscheidung von Rasengräsern leicht macht und man kann die neuen Pflanzen entweder in Büscheln neu pflanzen, verschenken oder eben wirklich jäten. Eine richtige Plage ist die Pflanze bei mir nicht geworden und auf ihren frühen Blütenschmuck würde ich nicht mehr verzichten wollen.


Wunderschön fand ich im Garten von Dina Deferme in Belgien das breite Band aus Melica uniflora, das sie gekonnt mit Heucheras kombiniert hat. Dieses Gras, ich habe es noch nie angeboten gesehen oder immer übersehen, bildet im Schatten eine tolle Leichtigkeit und das schon Ende Juni.


Deschampsias werden auch Waldschmielen genannt und ich finde, das klingt nach nichts. Für ein so hübsches Gras wie auf dem obigen Bild (einmal im Juni, einmal im September) hat man den fast schon unglaubwürdig seltsamen Namen "Drahtschmiele" gefunden und hier sollte man nun spätestens auf die englische Bezeichnungn ausweichen: Wavy hairgrass. Ich finde, das trifft es. Die Pflanze ist ein Allrounder, sie wächst auf fast der gesamten Nordhalbkugel auf so gut wie allen Böden und möchte bloß etwas sonnig stehen. Dann bildet sie niedrige, scharfkantige Grasbüschel und wehende wavy Rispen von bis zu 2m Höhe, die sich mindestens ein halbes Jahr lang im Wind wiegen und das zu einer Jahreszeit, wo andere Gräser lediglich grün vor sich hinbüscheln.


Etwas bekannter ist die Art Deschampsia cespitosa und hier etwa die Sorte 'Goldtau' (Bilder). Sie genießt oft in Massenpflanzungen Verwendung, da die Blüten ziemlich niedrig bleiben und im Laufe des Sommers leuchtend weizenfarben verblühen. Das ergibt tolle Hinter- und Nebengründe zu Echaniceen oder auch Astern und durch die dichten Horste wird jedes Unkraut am Keimen gehindert.


Mein Lieblingsgras ist Calamagrostis brachyricha, das Diamantgras. Es heißt so, weil sich Tautropfen gerne darin verfangen und es dann glitzert und auch wenn der Name etwas, nunja, kitschig ist, so passt er hier zumindest.


Das Diamantgras treibt früh im Jahr aus (eine Eigenschaft, die unter Gräsern selten ist und sie zu interessanten Frühlingskombinationspartner macht, weil sie schlichtweg noch fehlen, wenn der Garten loslegt), wie man auf dem rechten Bild sehen kann und ist auch durch seine frischgrünen Blätter eine Zierde. Im Sommer erscheinen dann die Ähren, die zuerst hellgrün sind und dann immer mehr braun werden.


Hier sieht man das selbe Gras im Früh-, Voll- und Spätherbst. Ich lasse es, wie alle Gräser, bis zum Frühling stehen. Hin und wieder findet sich ein Sämling, aber es ist so eine schöne Pflanze, dass ich die Sämlinge gut weiterverwenden oder sonst verschenken kann. Eine Plage ist es nicht und so viele Sämlinge wie bei Melica sind es nie. Calamgrostis brachytricha mag einen normalen Beetplatz und kommt auch mit nicht ganz voller Sonne klar, wenngleich es dort schöner ist und vor allem auch Sonne braucht, um optisch zur Wirkung zu kommen.



In der Gartengestaltung von großer Bedeutung ist Calamagrostis x acutiflora, eine in der Natur entstandene Hybride zwischen C. epigejos and C. arundinacea, die um 1950 von Karl Foerster in den Handel gebracht wurde. Obwohl es neuere Auslesen gibt, ist noch heute die Sorte 'Karl Foerster' weit verbreitet. Sie zeichnet sich durch aufrechten, schmalen Wuchs und Sterilität aus, Eigenschaften, die es zum Shooting Star unter den Gräsern werden ließen. Seine streng architektonische Form eigent sich sowohl für Hintergrund als auch zur optischen Trennung von "drifts", also größeren Staudengruppen und es ist zudem sehr unkompliziert, reichblühend und standfest. Meine Bilder zeigen Pflanzungen im Garten von Hermann Gröne, in der Staudengärtnerei Gaissmayer und in der Gärtnerei Marnis in den Niederlanden.


Das Japanwaldgras, Hakonechloa macra, ist meist in seiner gelbpanaschierten Form 'Aureola' oder den etwas selteneren Sorten 'Albostriata', 'Nicolas', 'Naomi' oder anderen verbreitet, selten aber in der grünen Urform, die für mich besonders schön ist. Wie der deutsche Name andeutet, möchte das Gras schattig stehen und etwas frisch, was heißt, dass es trockene Böden nicht schätzt und mit langsamsten Schneckenwachstum reagiert. Je feuchter der Boden ist, desto mehr Sonne verträgt es und seine wellige, überhängende Wuchsform macht es perfekt für den Vordergrund oder für große, ebene Flächen, die es wie Wellen überspülen kann. Auch in Töpfen sieht es gut aus.



 

Nicht viel möchte ich zu Miscanthus, dem Chinaschilf, schreiben. Es ist eines der bekanntesten Gräser und in unzähligen Sorten erhältlich, die zum Teil sehr unterschiedlich aussehen, was sowohl Habitus, Höhe, Blüte als auch Laubform und -farbe angeht. Es ist durchaus sinnvoll, vor dem Kauf genauer zu recherchieren. So besitze ich schon etliche riesige Exemplare, die allesamt sehr ähnlich aussehen, obwohl es sehr schöne niedrigere Sorten mit buschigen, weißen Blüten gäbe und welche, die früher blühen. Nur soviel: Die Pflanzen werden sehr riesig und ihr Platz sollte mit Bedacht gewählt werden. Sie wachsen anfangs langsam in die Breite, stets ohne zu wuchern und werden so beständig größer. Ohne Hacke und starker Hilfe kriegt man sie aber kaum jemals wieder klein.


Eine richtige Gräserschönheit und unverständlicherweise eher selten verwendet ist die Rutenhirse, Panicum virgatum. Es gibt sie in zahlreichen Sorten, die stahlblaue Blätter und Halme tragen ('Heavy Metal') oder die sich zum Herbst hin leuchtend rot verfärben ('Rotstrahlbusch') und einige werden sehr hoch ('Cloud Nine') während andere rote Rispen und gelbe Herbstfärbung aufweisen ('Warrior', Bilder oben). Es gibt sie in verschiedenen Höhen und es sind stets schöne, leicht überhängende Gräser für Hintergründe und zwischen hohe Stauden, die gute Gartenböden schätzen, aber auch auf trockenen Standorten gut klarkommen.



Eine in der naturnahen Gartengestaltung sehr beliebte Grasart ist Molinia, das Pfeifengras und hier besonders die Sorten von Molinia arundinacea, die, wie etwa 'Transparent', einen niedrigen, dichten Blattbüschel entwickeln, aus dem hohe, sehr schüttere Blütenrispen mehr als 2m in die Begleitstauden ragen, ohne diese zu verdecken oder ihnen das Licht zu rauben. Ein Molinia kann in fast allen hohen Staudenbeeten als Auflockerung verwendet werden. Die Bilder hier sind sowohl aus der Gärtnerei Marnis, NL, als auch aus dem Garten von Dina Deferme und aus den Loonse en Drunense Duinen, wo die Pflanze wild vorkommt.


In England weit verbreitet, hier in Österreich aber nur bedingt winterhart, das ist Stipa gigantea, das Riesenfedergras. Das Bild oben zeigt mein Exemplar vorm letzten Winter, heuer war es viel kleiner, hat aber überlebt. Weite Teile Deutschlands eignen sich problemlos für seine Kultur, es ist ein sehr imposantes und gestalterisch interessantes Gras, da es ähnlich wie bei Molina sehr hohe Blütenstände treibt, wohingegen die Blätter nur in sehr kleinen, maximal 50cm hohen Büscheln wachsen. Dadurch kann es leicht auch in niedrigen Pflanzungen verwendet werden, wo es die anderen Stauden nicht bedrängt, aber dem Beet zu flirrender Leichtigkeit verhilft. Wenn man es probieren möchte, dann an einer warmen, gut drainagierten Stelle, dann sollte es auch klappen.


Beide Bilder von Stipa tenuissima sind in der Gärtnerei Marnis in NL aufgenommen worden und zeigen, wie gut man dieses auch Federgras genannte Gewächs im Garten einsetzen kann, um sonnige und trockene Beete aufzulockern. Das Federgras ist nicht sehr langlebig, sät sich an freien Stellen aber zuverlässig aus, ohne lästig zu werden und kann im Frühling leicht verpflanzt werden. Seine zahlreichen feinen Blüten leuchten im Gegenlicht und bringen ein Beet vom Frühsommer bis in den Winter hinein zum Leuchten.


Achnatherum calamagrostis, hier am Bild im Garten von Hermann Gröne und in meinem Kiesbeet, ist ein anspruchsloses, wirkungsvolles Gras. Es mag gerne trockene, sonnige Standorte, wo es auch standfester ist und treibt grüne Blüten, die sich später goldgelb verfärben. Es ist eher zart und hat einen etwas höheren Blattbusch, den man einplanen sollte. Es blüht von Juli bis in den Herbst hinein ständig nach, wodurch es sehr lange frisch aussieht.

Wer sich noch mehr über Gräser informieren möchte, kann einfach googeln, denn des Internet ist voll von herrlichen Gräserfotos, oder aber man informiert sich auf der liebevoll gestalteten Webseite von Sandfrauchen, auf der viele Gräserarten und -sorten in Wort und Bild vorgestellt werden. Ich werde versuchen, die Serie mit den Gräsern möglichst bald fortzusetzen. Geplant ist ein Post zu Gräsern in den RHS Wisley Gardens und einer zu Gräsern bei Beth Chatto (damit kann ich meine Gartenbilder von der Reise nach England im Sommer 2009 sinnvoll "verarbeiten" :-)).