23. November 2013

Muss ein Garten nützlich sein?

Und weitere Fragen zu Schönheit, Zwang zur Gestaltung und der Pflegeleichtigkeit (was immer das auch bedeuten möge)

Zugegeben, es ist eine provokante Frage. Sie wurde aufgeworfen von James Golden, einem von mir sehr geschätzten Gartenblogger ("View from Federal Twist") aus den USA, und zwar in einem Bericht der New York Times über seinen Garten. Im Artikel "The Good-for-Nothing Garden", der erfreulicherweise als pdf einsehbar ist, geht der Autor (unter anderem) der Behauptung nach und kommt, sogar für mich, die sicher nicht alle hints in diesem Text versteht, eindeutig zum Schluss, dass "nützlich" keinesfalls nutzlos sein kann.

So war es vermutlich auch nicht gemeint. Aber es ist eine interessante Frage, ob das, was wir im Garten so machen, auch tatsächlich von Nutzen sein muss. Denn Dinge oder Handlungen, die nützlich sind, stehen über der Gefahr, bewertet zu werden. Wer also einen Gemüsegarten hat, braucht sich nicht zu rechtfertigen, denn es ist gesellschaftlich akzeptiert, sein Gemüse lieber selbst anbauen zu wollen und sämtliche Arbeiten, die dort erledigt werden müssen, schlagen sich am Ende als erntbares Produkt zu Buche - durchaus nützlich also. Und sogar mit Essen verbunden, da kommt keine Kritik auf.

Was aber ist mit Staudenbeeten? Reicht Schönheit als Nutzen alleine aus und wiegt sie all das Gewühle, Gegrabe und Gekaufe auf Staudenmärkten aus? Für Leute mit Staudentick logischerweise sehr wohl, diese Frage stelle ich nicht. Aber ist es für jemanden, der von Garten so viel Ahnung hat wie ich von Autos (nahe bis gleich Null) auch nur annähernd nachvollziehbar, woher die Motivation zu so etwas kommt? Natürlich gibt es viele Hobbys, die Zeit, Geld und Enthusiasmus voraussetzen und bei denen trotzdem kein Endprodukt rausschaut.

Eigenartigerweise sieht das bei Gärten anders aus. Und noch viel seltsamer: Die Forderungen nach Nützlichkeit kommen direkt aus dem gärtnernden Umfeld. Mich befremden schon seit geraumer Zeit Diskussionen in Gartenforen, die sich alleine darum drehen, wie hässlich der Vorgarten drei Straßen weiter gestaltet worden wäre. Meistens zeigt dann jemand ein Bild einer monotonen Steinwüste mit einem verlorenen Buchs darin und in zahlreiche Postings zerkugeln sich daraufhin andere, wie fürchterlich einfallslos dies alles wäre, und-so-weiter-und-so-fort. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, mir gefällt sowas auch nicht, aber dürfen wir darüber urteilen? Also nicht im Sinne von: Darf ich darüber urteilen was andere machen (das wäre eine Grundsatzdiskussion), sondern eher in Richtung: Warum muss die Freifläche rund um einen Garten unbedingt mit Grün gestaltet werden? Was macht uns so sicher, dass eine Rhododendronsammlung, ein Gräserbeet oder eine buchsumfasste Grün-Weiß-Themenpflanzung besser wäre als Steine, Kies und meinetwegen farbige Deko? Nützlich ist das alles nicht.

Aber so ist es wohl bei allen Dingen, deren Nutzen nur für die Besitzerin oder den Besitzer persönlich erkennbar sein muss, weil er im Mögen und Schön-Finden der Sache an sich fußt. Wer Kieswüsten mag, wird sie praktisch finden, weil sie kein Laub verlieren und nicht zurückgeschnitten werden müssen.

Sie sind pflegeleicht. Und was pflegeleicht ist, ist gut. Auch bei Pflanzen ist das so und vor allem auch bei Beeten, die müssen sowieso pflegeleicht sein, denn nur ein paar Freaks würden sich ein Hobby aussuchen, das Zeit, Geld und Nerven raubt, ohne dabei irgendeinen Output zu erschaffen, der über Schönheit (und oft klappts damit nicht einmal wie geplant) hinausgeht.

Pflegeleicht bedeutet für mich, dass der Aufwand, der für das Gedeihen notwendig ist, mit verhältnismäßig moderatem Zeit- und Verstandsaufwand zu bewältigen ist. Von Wächst-ohne-mein-Zutun und Muss-nur-wohlwollend-betrachtet-Werden kann da keine Rede sein, wer das erkennt, und eigentlich anders erwartet hätte, wird Kieswüsten anlegen und Alibibuchse setzen. Was legitim sein muss!

Staudenbeete haben also keinen konkret messbaren Nutzen. Sie erfreuen mich, aber das könnte ein Motorrad auch, wenn ich mich dafür begeistern würde. Sie haben allerdings, das kam bisher zu kurz, eindeutig ökologischen Wert, sie nähren Insekten und stellen dadurch Futter für andere Tiere zur Verfügung und sie bilden ein kleines Ökosystem, das besonders in urbanen Gebieten wertvoll sein kann.

Und außerdem machen Gärten glücklich. Das reicht uns und sollte eigentlich vor weiteren Rechtfertigungszwängen schützen.


Die lange Blogpause und dann auch noch ein Post ohne Bild: Das muss am Herbst liegen. Der Garten ist heuer schon früh die Vegetationspause gegangen und ruht nun dem Winter entgegen. Ich schulde euch noch Bilder der Apennin-Vegetation und hoffe auf viele klammfeuchte, unfreundliche Frühwintertage. Denn wenn die Sonne scheint bin ich zwar draußen, aber nicht im Garten:



Fröhliches Einwintern wünsche ich :-)